Seit Beginn der Corona-Epidemie wird darüber diskutiert, ob es falsch positive PCR Testergebnisse gibt und wenn ja in welchem Umfang.
Was sagt die Mathematik?
Jeder diagnostische Test, der eine Spezifität kleiner als 100% hat, liefert abhängig von der Prävalenz falsch positive Ergebnisse. Das wird etwa hier erklärt und das kann man auch zum Beispiel hier einfach selbst überprüfen.
Anerkannt ist die Falsch-Positiv Rate jedenfalls bei den Antigentests, wie sie bei Massentests verwendet werden. Diese haben – nach Verifikation mit PCR-Tests – jedenfalls etwa 60% Falsch-Positivrate.
Von „Faktencheckern“ wird gerne der Eindruck geweckt, dass es in der Praxis jedenfalls beim PCR-Test keine falsch-positiven Testergebnisse geben könne Quelle. Andere vertreten die Ansicht, dass man das Ende einer Pandemie nicht erkennen könne, wenn man die Existenz falsch-positiver Ergebnisse leugnet, weil ein bestimmter Anteil (falsch) positiver Testergebnisse immer da sei und daher auch beim völligen Verschwinden des Virus (fäschlich) neue Fälle berichtet werden.
Welche Ursachen haben die unterschiedlichen Auffassungen?
Die Ursache ist – wie so oft in dieser Krise – dass man nicht miteinander auf Augenhöhe ergebnisoffen diskutiert und daher von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgeht.
Es gibt tatsächlich Hersteller von PCR Tests, die eine Spezifität von 100% angeben. Das hat aber folgende Haken:
- Die Angabe bezieht sich auf Idealbedingungen bei völlig korrekter Anwendung des Tests. Im Massenbetrieb können aber zum Beispiel Vertauschungen oder Verunreinigungen etc. nicht ausgeschlossen werden.
- Es sind Dutzende unterschiedliche PCR Tests am Markt. Auch solche, deren Hersteller weniger als 100% Spezifität angeben.
- Das Testergebnis hängt auch vom maximalen CT-Wert mit dem der PCR Test durchgeführt wird, ab. Die Labors arbeiten nicht nur mit Tests unterschiedlicher Hersteller, sondern auch mit unterschiedlichen CT-Werten. (Erklärung etwa hier)
Ist die Spezifität beim Auffinden von RNA-Abschnitten überhaupt relevant?
PCR-Tests entdecken sehr zuverlässig bestimmte Abschnitte der Virus RNA. Dabei erreichen Sie eine hohe (wahrscheinlich im Idealfall auch 100%) Spezifität .
Geht es wirklich um RNA-Abschnitte?
Das ist aber nicht wirklich interessant. Man möchte vielmehr herausfinden, ob der Mensch, der getestet wird, infiziert, krank und infektiös ist.
Der PCR Test kann aber nicht feststellen, ob die gefundene Virus-RNA replikationsfähig ist. Die Replikationsfähigkeit ist aber Voraussetzung dafür, dass der Mensch tatsächlich infiziert und krank wird. Viren zerfallen unter für sie ungünstigen Bedingungen rasch. Der PCR Test reagiert aber noch auf die Bruchstücke.
Was sagt das RKI dazu?
„Im Gegensatz zu replikationsfähigem Virus ist die RNA von SARS-CoV-2 bei vielen Patienten noch Wochen … nachweisbar . Diese positiven PCR- Ergebnisse sind jedoch nicht mit Ansteckungsfähigkeit gleichzusetzen“
Um feststellen, ob eine PCR-positive Probe auch replikationsfähige Viren enthält, muss man zusätzlich versuchen die Viren in der Probe im Labor anzuzüchten. Das ist aber zeitaufwändig und wird deswegen im Rahmen von normalen PCR-Tests nicht gemacht.
Wie sicher weist ein PCR-Test tatsächlich infektiöse Viren nach?
Im Rahmen einer von der französischen Regierung unterstützten Studie von Jaafar et. al. wurde das anhand von 3790 PCR-positiven Proben untersucht : https://academic.oup.com/cid/advance-article/doi/10.1093/cid/ciaa1491/5912603
Das Diagramm stellt die Ergebnisse dar.
(Diagramm zur Vergrößerung anklicken)
Legende: Dunkelroter Balken: Anzahl der Proben, die beim jeweiligen CT-Wert positiv geworden sind und die sich auch als infektiös erwiesen haben. Grau: Anzahl der Proben, die beim jeweiligen CT-Wert positiv geworden sind, sich jedoch nicht als infektiös erwiesen haben.
Sofern die Ergebnisse bestätigt werden, müssen einige gängige Ansichten und Verordnungen revidiert werden.
Ist das eine Meinung oder Mathematik?
Wir möchten vorauschicken, dass alle folgenden Überlegungen keine Meinung sind, sondern sich rein aus mathematischen Schlussfolgerungen ergeben, sofern die von der Studie präsentierten Daten korrekt sind.
Von den 3790 PCR-positiven Proben, die mit CT-Werten von bis zu 37 gewonnen wurden, konnten 1849 nicht angezüchtet werden („negative cultured“) und nur 1950 oder 51,5% enthielten Viren, die replikationsfähig waren .
Ein positiver PCR-Test hat also (zumindest bei dem für die Studie verwendeten Proben-Sample) nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 51,5% tatsächlich infektiöse Viren gefunden.
Was bedeutet eine Spezifität von nur 51,5% für die zu erwartende Falsch-Positivrate?
Laut AGES Dashboard vom 24.1.2021 gab es in Österreich 23302 aktive Fälle. Inklusive der Dunkelziffer müssen wir laut Prävalenzstudie mit maximal 66000 Infizierten rechnen. Das sind wäre eine Prävalenz von etwa 0,73% der Bevölkerung.
Wenn wir diese Werte in http://vassarstats.net/clin2.html eintragen, dann ergibt das folgendes Ergebnis (Screenshot):
Sofern die Daten der Studie von Jaafar et.al.bestätigt werden, bedeutet das, dass ein positiver PCR Test, der mit einem CT-Wert von bis zu 37 gewonnen wurde, vielleicht mit hoher Zuverlässigkeit tatsächlich ein Virus-Bestandteil findet, dass aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei auch um ein tatsächlich replikationsfähiges Virus enthält, nur 1,5% beträgt.
Wie entstehen die vielen falschen Ergebnisse?
Die Studie zeigt auch sehr deutlich, dass hohe CT-Werte mit den falsch positiven Ergebnissen korrelieren und für die niedrige Spezifität beim Auffinden von infektiösen Viren verantwortlich sind.
Proben, die schon bei einem CT-Wert von bis zu 14 als positiv gewertet wurden, lieferten zu 100% auch replikationsfähige Viren.
217 Proben, wurden etwa erst bei einem CT-Wert von 25 positiv. 149 waren replikationsfähig aber 68 davon (ein Drittel) konnten nicht angezüchtet werden, waren also nicht infektiös.
192 weitere erst bei CT=26 . Davon waren nur mehr 102 infektiös und bereits 90 nicht mehr replikationsfähig.
Ab CT=27 fand man dann mehrheitlich keine infektiösen Viren mehr.
In Proben, die erst bei CT=34 positiv wurden war es bereits zu über 90% falscher Alarm.
CT-Werte über 35 waren total nutzlos und produzierten nur mehr falsch-positive Ergebnisse.
Was bedeutet das für die Verwendung von PCR Tests?
Es wäre falsch PCR Tests generell als nutzlos zu bezeichnen. Wenn jemand erkrankt ist, kann man mit ihnen feststellen, ob SARS-CoV2 als Ursache infrage kommt.
Aber wenn die von der Studie vorgelegten Daten bestätigt werden und verallgemeinert werden können, hat das weitreichende Konsequenzen. Insbesondere stellt sich die Verwendung von PCR-Tests um unter Gesunden Personen welche zu finden, die krank und ansteckend werden könnten, als absurd heraus.
Welchen Nutzen hätte eine solche Vorhersage, ob jemand krank und infektiös werden könnte, die in 98,5% der Fälle falsch ist?
Zumindest für die in der Studie verwendeten Test-Assays erscheint es völlig nutzlos und schädlich mit CT-Werten über 33 zu arbeiten. In diesem Aspekt dürfte die Studie übrigens auch bereits bestätigt worden sein. In einem Artikel der New York Times , kritisierten Experten bereits im August 2020, dass in den USA meist CT-Werte bis 40 verwendet werden Quelle.
Es ist unzulässig Menschen als infiziert oder krank zu bezeichnen, wenn nur ein positiver PCR Test vorliegt. Es ist notwendig zu beachten, was schon immer im Beipacktext von PCR-Tests stand (und am 21.1.21 auch von der WHO bekräftigt wurde): Positive Testergebnisse zeigen das Vorhandensein von SARS-CoV-2-RNA an, aber ob der Getestete eine Infektion hat, kann man ohne Anamnese durch den Arzt und andere diagnostische Informationen nicht feststellen.
Als „Fall“ darf laut WHO nur mehr jemand geführt werden, der neben dem positiven PCR Test Symptome aufweist. Quarantäne-Maßnahmen für K1 Personen sind ebenfalls erst in diesem Fall gerechtfertigt.
Es wird zu überprüfen sein, ob es dann noch „symptomlose Fälle“ gibt und ob die Dunkelziffer sinkt.
Die Anzahl der „Fälle“ wird sinken und mit ihr die 7-Tage Inzidenz.
Die IFR wird ebenfalls neu zu bewerten sein. Die absolute Anzahl der Toten MIT Corona wird aber wahrscheinlich sinken.
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